Die Werkreihe Eurotopians der Künstlerin Johnanna Diehl beschäftigt sich mit visionären Bauten und experimentellen Entwürfen, die vor allem in den sechziger und siebziger Jahren in Europa entstanden sind und die gängigen Vorstellungen von "Wohnen" und "Behaustsein" grundsätzlich in Frage stellten. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Kollaboration zwischen Johanna Diehl und dem Autor und Journalisten Niklas Maak, der seit 2002 große Reportagen über die visionären Architekten in der FAZ publiziert hat. Dieses wird voraussichtlich 2014 in einem gemeinsamen Buch veröffentlicht. Johanna Diehl hat diese Orte der utopischen Moderne untersucht und eine Serie beeindruckender Fotografien geschaffen.
Während der Werkzyklus insgesamt acht Architekten gewidmet ist, zeigt die Ausstellung eine Auswahl von Arbeiten, die sich mit zukunftsweisenden Bauten von Antti Lovag, Yona Friedman, Cini Boeri und Dante Bini auseinandersetzen und diese auf ihre Aktualität hin befragen.
Johanna Diehl zeigt die futuristisch anmutenden Kugelhäuser des Architekten Antti Lovag, die auf einem Hochplateau in Südfrankreich liegen. Diese Betonkugeln, deren Segmente sich zu einer Wohnlandschaft zusammenfügen, sollten einen experimentellen Kosmos schaffen, in dem Privatheit und Gemeinschaft anders erlebt werden. Über dreißig Jahre lang baute Lovag mit Studenten in einer utopischen Kommune lebend an der Realisierung seiner Vision. In dem Korkeichenwald mit Blick über das Mittelmeer bauten sie unter anderem ein sechzig Quadratmeter großes Modell des 1000 Quadratmeter großen Bauwerks, in dem der Architekt noch heute wohnt.
Ein weiterer richtungsweisender Utopist, mit dem sich Johanna Diehl in ihren Arbeiten beschäftigt, ist Yona Friedman. Die Werke der Künstlerin entführen uns in die mit Modellen, Zeichnungen und Fundstücken angefüllte Wohnung des Architekten, die einem begehbaren Gehirn gleicht und einen Speicher seiner visionären Entwürfe der mobilen Architektur und "Architecture spatiale" darstellt. Ferner zeigt Johanna Diehl die faszinierenden Bauten der Architektin Cini Boeri, die nicht nur außerirdisch aussehende Sofas, sondern auch ufohafte Häuser als Modelle für Mikrostädte entwarf.
In dem Projekt Eurotopians geht es, wie Niklas Maak schreibt, nicht darum, einen melancholischen Blick auf die Schönheit einer Zeit zu werfen, deren Zukunftsgläubigkeit Formen hervorbrachte wie sie heute kaum mehr denkbar sind. Im Gegenteil geht es um eine "Archäologie des Utopischen" (Maak) - um die Frage, was aus diesen "anderen" Lebensentwürfen geworden ist. "Könnte man im Jahre 2013 anders leben, als wir es tun? Spiegelt sich in diesen gestrandeten Bauten, in den Ruinen der europäischen Utopisten, immer noch eine Vision von morgen?"
Johanna Diehl (*1977, Hamburg) lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Prof. Timm Rautert und war Meisterschülerin bei Prof. Tina Bara. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds Bonn und der Akademie Schloss Solitude.