In ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Wilma Tolksdorf präsentiert die in Berlin ansässige Künstlerin Johanna Diehl Arbeiten aus der Serie "Displace" - Fotografien leerstehender, umgewandelter, teilweise zerstörter Kirchen und Moscheen, aufgenommen im muslimischen Norden sowie im christlich-orthodoxen Süden der geteilten Insel Zypern.
Diese Fotoserie entstand 2008/2009, als Johanna Diehl im Rahmen eines Projekt-Stipendiums des DAAD auf Zypern arbeitete.
Die Ruinen, die sie uns zeigt, erzählen die Geschichte des Landes und spiegeln dessen Zerrissenheit wider: Bereits seit über 35 Jahren ist Zypern geteilt in den griechischen, südlichen Teil und den türkisch besetzten Norden; die Grenze spaltet auch die Hauptstadt Nikosia in zwei Bereiche. Und auch wenn diese Grenze in den letzten Jahren mehr geöffnet wurde, so findet man doch in beiden Landesteilen bis heute Spuren des jahrzehntelang schwelenden Konflikts: verlassene Ortschaften, zerstörte Häuser und eben auch Gotteshäuser, von ihren ehemaligen Bewohnern oftmals fluchtartig geräumt und dem Verfall überlassen. Vor allem diese sakralen Räume sind es, die Zeugnis geben über die Separierung und Vertreibung ganzer Gemeinden.
Der Titel "Displace", was sowohl "Vertreiben" als auch "Ersetzen" bedeutet, verweist auf die in den Fotografien charakteristische Abwesenheit der Menschen, die ihre Heimat und ihre Gebetsstätten verlassen mussten. Zugleich beschreibt dieser Begriff aber auch den Vorgang der Umwidmung und des Wiederbeschreibens durch eine andere Volksgruppe, die sich in den verlassenen Dörfern neu angesiedelt hat.
"Johanna Diehl, die zu den interessantesten Fotografinnen ihrer Generation gehört, hat auf beiden Seiten diese entleerten, un- oder umgenutzten Gotteshäuser fotografiert. Die formale Strenge ihrer Aufnahmen erinnert aber nur auf den ersten Blick an die Becher-Schule; interessant sind sie gerade wegen ihrer erzählerischen Details und Abweichungen von einer Typisierung. Auf einer Ikonostasis ist ein Graffiti aufgesprüht, aus einer anderen wurden die Bilder entfernt. Anderswo werden die Kirchen mit Teppichen ausgelegt, aufgeklebte Linien aus Kreppstreifen weisen Richtung Mekka, die Gebetsnische, die Mihrab, wird einfach auf eine Kirchenwand gemalt. In diesen Ein- und Überschreibungen von Architektur offenbart sich die komplexe politische Geschichte des Landes auf erstaunlich eindringliche Weise. Wie schon in Johanna Diehls Arbeit über Odessa gelingt es ihr auch hier mit einem fast surreal präzisen Blick für minimale formale Details - dem Muster eines Rockes, den Klebestreifen - das individuelle ebenso wie das kollektive Schicksal von Menschen offenzulegen. Dass diese Menschen meist nicht im Bild zu sehen sind, verstärkt, wie in Filmen von Hitchcock, die Wirkung des zu Erahnenden noch" (Niklas Maak, FAS, 25.10.2009).
Johanna Diehl, 1977 in Hamburg geboren, lebt und arbeitet heute in Berlin. Sie studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Prof. Timm Rautert und ist Meisterschülerin bei Prof. Tina Bara.